Kein Meisterzwang für EU-Gesellschaften..



Rechtsanwältin Hilke Böttcher: EuGH-Urteil verschärft Inländerdiskriminierung für deutsche Handwerker ohne Meisterbrief und höhlt Kammerzwang aus!
Weitere Informationen und Quellen:
- BUH-Presseerklärung: EuGH verschärft die Inländerdiskriminierung durch den Meisterzwang
- Der Meisterzwang vor dem europäischen Gerichtshof 27.02.03
- Handwerksrecht und Europa
- Verfassungsbeschwerden gegen den Meisterzwang
- Unbestimmtheit der handwerksrechtlichen Abgrenzungsfragen
- Handwerksrecht
Der EuGH stärkt die Rechte der europäischen Dienstleister, die in Deutschland ihre handwerklichen Tätigkeiten anbieten und nicht nur vorübergehend hier arbeiten wollen. Dadurch wird die Situation für die deutschen Handwerker, die ohne Meisterbrief selbständig in Deutschland arbeiten wollen, verschärft.
Rechtsanwältin Hilke Böttcher teilt mit:
Der EuGH in Luxemburg hat in seinem Urteil vom 11.12.2003 – Rechtssache C-215/01- festgestellt, dass ausländische Unternehmer ohne Eintragung in die Handwerksrolle in Deutschland Aufträge nicht nur vorübergehend ausüben dürfen. Für ausländische Unternehmen gibt es keine Verpflichtung, sich in die Handwerksrolle eintragen zu lassen! Eine Eintragungspflicht verstoße gegen EU-Recht (Dienstleisungsfreiheit).
Der Sachverhalt:
Es ging im Verfahren darum, dass ein deutscher Unternehmer (Stukkateurmeister, der durch Frau Rechtsanwältin Böttcher vertreten wurde) über mehrere Jahre (1994- 1997) hinweg häufig ein portugiesisches Unternehmen beauftragte, Verputzarbeiten für ihn zu übernehmen, ohne das dieses Unternehmen in die Handwerksrolle eingetragen war – was in Deutschland noch immer Voraussetzung für die selbständige Handwerkstätigkeit ist. Der deutsche Unternehmer erhielt von der Stadt Augsburg einen Bußgeldbescheid in nicht unerheblicher Höhe wegen angeblicher Beauftragung von Schwarzarbeit.
Dagegen wendet sich der Betroffene nun erfolgreich dagegen.
Der EuGH bestätigte zunächst seine Rechtsprechung zur weiten Auslegung der Dienstleistungsfreiheit.
Gleichzeitig wird festgestellt, dass andere EU-Unternehmer Handwerksleistungen in Deutschland über einen langen Zeitraum ausüben dürfen, weil im EU-Recht nicht geregelt ist, ab welcher Dauer der Tätigkeit eine Eintragung in die Handwerksrolle erfolgen muss, damit der EU-Unternehmer in Deutschland eine Niederlassung betreibt.
Der EuGH bestätigt auch den Vortrag der Rechtsanwältin Hilke Böttcher in der mündlichen Verhandlung, dass für den Fall, dass ein EU-Unternehmen in die Handwerksrolle einzutragen ist, dies nicht mit Kosten oder Verzögerungen verbunden sein darf.
Dies ist ein schwerer Schlag für die Handwerkskammern in Deutschland, denn ein EU-Unternehmen musste bisher mit Eintragungskosten in die Handwerksrolle bis zu 800,00 Euro rechnen. Außerdem dauerte die Eintragung z.T. bis zu 3 Monate! Hier müssen die Handwerkskammern nun schnell reagieren und Abhilfe schaffen.
Dieses Urteil eröffnet auch einheimischen Gesellen nun zumindest leichtere Möglichkeiten, vom EU-Ausland aus ein Unternehmen (z.B. Limetid) zu gründen und rechtmäßig vom EU-Ausland aus in Deutschland zu arbeiten.
Dieses Urteil wird den Kammerzwang weiter aushöhlen, weil kein Kammerzwang für ausländische Unternehmen, die im Rahmen der Dienstleitungsfreiheit in Deutschland tätig werden, nicht besteht. Damit kann auch die Handwerkerpflichtversicherung umgangen werden.
Dies führt wiederum dazu, dass die Inländerdiskriminierung für deutsche Gesellen, die sich ohne Meisterbrief selbständig machen wollen, zugenommen hat. Frau Rechtsanwältin Hilke Böttcher hofft nun auf das Bundesverfassungsgericht, bei dem mittlerweile einige Verfassungsbeschwerden zur Inländerdiskriminierung anhängig sind. Möglicherweise wird dieses kurzfristig die Inländerdiskriminierung aufheben.
Luxemburg, den 11. Dezember 2003
- Böttcher/Rechtsanwältin
- Osterstraße 141
20255 Hamburg (Quelle)
Kommentierung
Unabhängig davon, dass der Meisterzwang in Deutschland wohl verfassungswidrig ist, da eine Inländerdiskriminierung vorliegt, kann der deutsche Unternehmer durch Gründung einer EU-Gesellschaft (UK Ltd, S.L., IBC usw..) unter bestimmten Voraussetzungen in Deutschland ohne Meisterbrief tätig werden:
- Gründung einer EU-Gesellschaft, z.B. Uk Ltd (es sollte eine bestehende Gesellschaft sein- Vorratsgesellschaft-, die mindestens ein Jahr eingetragen ist und als Gegenstand „Handwerk“ im Reg. führt. Ferner muss die EU-Gesellschaft eine nachweisbare Betriebsstätte im Gründungsland haben, also z.B. unser Basispaket UK Ltd)
- Deutsche Kunden sollten, sofern irgendwie möglich, vertrags-und rechnungsmäßig an die EU-Gesellschaft (Land der Gründung, Ort der Oberbetriebsstätte) gebunden werden
- Richtig professionell wird es, wenn die Oberbetriebsstätte im EU-Ausland, in Zeitungen für ihre Dienstleistung/Handwerk wirbt (kein muss, unterstreicht aber die aktive Tätigkeit)
- Wareneinkauf sollte über die EU-Gesellschaft laufen, Lieferort kann aber z.B. Deutschland sein
- Nicht entscheidend ist die Tatsache, dass der Bereich „Handwerk“ steuerrechtlich in Deutschland eine Betriebsstätte nach DBA auslöst (Betriebsstättenanteil). Mithin müssen die deutschen Gewinne in Deutschland mit Körperschaftssteuer (25%) belegt werden
- Strittig ist die Auslegung, ob „Umfang, Größe, Anzahl der Tätigen“ in Deutschland eine Bindung an den Meisterbriefzwang auslösen kann.